Sicherstellung von 16 Pferden in Süstedt

Einem alten Mann war seine Pferdehaltung über den Kopf gewachsen, 16 von 20 Pferden standen seit Jahren im Stall und seit vor sieben Jahren der Hufschmied gestorben war, hatte auch niemand mehr Hand an die Hufe gelegt.
Die 4 Pferde, die draußen auf der Weide standen waren in deutlich besserer Verfassung als die im Stall, diese hat das Vet. Amt dann auch vor Ort belassen können.
Von den verbleibenden 16 Tieren wurden nach und nach 12 auf den Geißblatthof transportiert, 4 weitere kamen bei anderen Vereinen unter.

Neben dem katastrophalen Zustand der Hufe, die teilweise im Kreis gewachsen sind wie eine Widderschnecke, so dass die Pferde beim Gehen sich mit den eigenen Hufen ineinander verhaken und ins Stolpern kommen, sind einige deutlich unterernährt, mit stark heraustretenden Rippen und Wirbeln, kahle Stellen lassen auf Mineralstoffmängel schließen.
Andere wieder sind in ordnungsgemäßem Ernährungszustand, allen gemein ist jedoch ein gänzlich fehlender Erfahrungsschatz. Keines oder fast keines dieser Pferde ist Halfter und Strick gewohnt und wenn sie uns Menschen auch freundlich begegnen, so weichen sie doch aus und meiden Berührungen.
Allein die Arbeit die hierin steckt, alle soweit an den Menschen zu gewöhnen, dass sie in Privathände abgegeben werden können wird uns monatelang beschäftigen.

Die verwachsenen Hufe wird der Schmied bei den meisten wohl in drei-vier Pediküre-Termine richten können, lediglich bei zwei Tieren sehen die Fehlstellungen irreparabel aus. Allerdings werden die Pferde dem Schmied nicht einfach die Hufe in die Hand legen, sondern müssen übers Futter ansediert werden, um dann vom Tierarzt überhaupt eine leichte Betäubungsspritze bekommen zu können.

Ein Zwischenstand vom 23. Juli von den sichergestellten Pferden aus Süstedt
Nachdem vor 10 Tagen der Hufschmied alle Hufe ein erstes Mal eingekürzt hat und die Pferde sich nun ein wenig an das neue Laufgefühl gewöhnen konnten, ist die tierärztliche Kontrolle heute erstmals deutlich erfreulicher ausgefallen.
Bei 6 Pferden sind keine dauerhaften Schädigungen zu befürchten, eine vollständige Korrektur der Fehlstellungen ist (von Pferd zu Pferd verschieden) nach 3-6 maligem Ausschneiden durch den Hufschmied hoffentlich zu erreichen.
Bei 2 Pferden bleibt abzuwarten, ob sie vollständig rehabilitiert werden können, 4 Pferde machen uns noch große Sorgen: die beiden Althengste Kaspar und Balthasar haben schwerwiegende Fehlstellungen beider Hinterbeine, die Trachten sind von außen nach innen unter dem Huf durchgewachsen. Hier sind irreparable Veränderungen des Hufbeins zu erwarten, beiden bereitet das Stehen aktuell noch erhebliche Schmerzen (trotz Schmerzmittel), sie kippeln stets von einem Hinterhuf auf den anderen, um die Hufe abwechselnd zu entlasten. Die beiden konnten wir heute zur weiteren Therapie an das Pferde Reha- und Therapiezentrum Equivate in Raddestorf übergeben. Die kurze Transportstrecke konnte aus tierärztlicher Sicht vertreten werden. Wir freuen uns über das fantastische Angebot von Anika und Marco Jentsch die beiden Schwerstpflegefälle bei sich aufzunehmen und langsam wieder in ein möglichst normales und glückliches Pferdeleben zurück zu begleiten.

Die beiden älteren Stuten Maike und Snoa haben ähnliche Fehlstellungen wie Kaspar und Balthasar, allerdings sind hier die Vorderbeine betroffen. Die beiden liegen so viel wie möglich, um die schmerzenden Füße zu entlasten. Hier sind Hufbeinsenkungen zu befürchten, evtl. kann später einmal, nach einigen Malen Hufe Ausschneiden, ein orthopädischer Beschlag Entlastung bringen.
Genaueren Aufschluss über den Schweregrad der Knochenveränderungen können nur Röntgenbilder liefern, die für Anfang/Mitte August angedacht sind. Bis dahin müssen wir die Zeit nutzen viel viel Vertrauensbildung zu betreiben, damit die Pferde überhaupt an Halfter und Strick gehen und neben dem Röntgengerät stehen bleiben.
Vom Ernährungszustand her sind alle 12 schon deutlich besser, auch eine erste Wurmkur haben sie gut vertragen.
Zu befürchten ist allerdings, dass noch einige Stuten tragend sind, denn auch die 3 Junghengste, die noch mit ihren Müttern zusammenstanden, sind schon voll geschlechtsfähig.

In der Zwischenzeit sind gut 300 Email-Anfragen bei und eingegangen und rund 150 Anrufe von Menschen, die wie wir erschüttert sind über den Zustand der Pferde und wissen möchten, wie es weitergeht. Eine solche Anteilnahme haben wir noch nie erlebt und möchten an dieser Stelle ein ganz ganz herzliches Dankeschön Ihnen allen sagen! Die Tage nach dem 11.07. waren bei uns der absolute Ausnahmezustand, lang, arbeitsreich und auch einfach belastend für die Seele und oft waren es die lieben Worte auf dem Anrufbeantworter (immer bevor das Band wieder voll war und nichts mehr ging) oder die ermutigenden Zeilen die uns durch den Tag gebracht haben! DANKE dafür! Wir haben wunderbare Hilfsangebote bekommen (z.B. Pferdetraining nach Monty Roberts, Tellington Touch) es gab Futterspenden und Geldspenden. Ohne ihre Hilfe könnten wir es nicht!
Wir werden versuchen möglichst viele emails und Anrufe zu beantworten, aber es kann ein wenig dauern…

Was wir noch dringend gebrauchen können – vielleicht hat ja jemand einen guten Kontakt – sind Paddockplatten zur Befestigung des Untergrundes für ca. 400 qm Fläche, denn die Tendenz der Pferdenotfälle ist steigend, im letzten Jahr hatten wir 6 Pferde aus Abgabe des Besitzers und 6 weitere, die das Vet. Amt fast verhungert beschlagnahmt hatte. In diesem Jahr waren es schon im Frühjahr 7 Esel und Ponys aus einem ähnlich dramatischen Fall in Minden, die wir einem befreundeten Tierschutzverein abnehmen konnten, später ein Zirkuspony über das Vet. Amt Diepholz mit ähnlichen Hufen wie die Süstedter Pferde und nun diese 12 Sorgenkinder. Kaum auszudenken, wenn ein solcher Einsatz im Winter stattgefunden hätte, da hätten wir sie nicht unterbringen können. Denn während unsere Offenstallkapazität noch längst nicht erschöpft ist fehlt es doch an stabilem Untergrund in den Winterausläufen.
Vielleicht hat ja eine Firma Ausstellungsware günstiger abzugeben oder kann uns Platten zum Einkaufspreis überlassen? Wir stellen im Gegenzug auch gerne eine Sponsorentafel auf.
Einige haben gefragt, was für Futterspenden uns in diesem Fall helfen können:
In erster Linie ist es Heu, aber auch Heu Cobs und Mineralleckmasse in Eimern mit hohem Selengehalt. In den nächsten Wochen ist es für uns organisatorisch nicht möglich Futterspenden abzuholen, im Moment werden wir hier vor Ort gebraucht. Aber wer die Möglichkeit hat etwas zu bringen ist herzlich willkommen!
Geldspenden finden Verwendung für die noch erforderlichen tierärztlichen Maßnahmen wie Röntgen, Kastration der Hengste, für Schmerzmittel, Wurmkuren, Beantragung von Equidenpässen, Zahnbehandlungen und natürlich für die vielen Hufkorrekturtermine.

Viele Interessenten haben sich gemeldet, die 1 oder 2 Pferde aufnehmen würden, wir werden nach und nach Kontakt aufnehmen und Vorgespräche führen, bis zur Übergabe wird aber sicher noch eine gute Zeit ins Land gehen, denn zum einen möchten wir die Pferde erst abgeben, wenn wir genaure Aussagen zum Gesundheitszustand und möglichen bleibenden Schäden treffen können, zum anderen möchten wir abwarten, was für Charaktere und Temperamente zum Vorschein treten, wenn alle wieder bei Kräften sind, gut laufen können und mit den Gegebenheiten und Menschen hier vertraut sind. Noch machen alle einen relativ ruhigen Eindruck, berücksichtigt man aber die Genetik sollte da noch einiges mehr an Temperament zum Vorschein kommen und um wirklich passende Endplätze auszuwählen wollen wir diese Entwicklung in Ruhe abwarten.
Um den Pferden lange Transportwege zu ersparen und da wir Pferde am liebsten selbst ins neue zu Hause bringen würden wir bei gleichguten Platzangeboten das mit der geringeren Entfernung vorziehen.
 
SnoaHufe1
Snoa-Hufkorrektur

11. August 2013 - seit einem Monat sind die Süstedter Pferde auf dem Geißblatthof
Ein ganzer Monat ist nun vergangen, seit die Süstedter Pferde zu uns auf den Geißblatthof gekommen sind. Und die Zeit hat ihnen merklich gut getan.
Zwei Tage nach ihrer Ankunft hat unser Schmied die Hufe zum ersten Mal eingekürzt und die Stellungen soweit wie möglich korrigiert. Danach mussten sie quasi neu laufen lernen. Nicht alle, der kleine Ernesto und seine Mutter hatten fast normale Hufe, aber für die meisten war es kein Spaziergang.
Kaspar und Balthasar schon in die Pferde-Reha-Station nach Raddestorf gekommen, so dass auf dem Geißblatthof drei Schwerstpflegefälle verblieben. Die Stuten Snoa und Maike und eine von den jungen Fuchsstuten. Diese drei bekommen auch jetzt noch Schmerzmittel damit sie überhaupt laufen und um eine Belastungsrehe zu vermeiden.

SnoaHufekorr2
Snoa-Erste Korrektur

Maike und Snoa haben die ersten 14 Tage fast nur gelegen, inzwischen gehen auch die beiden quer über die Wiese um Gras zu zupfen anstatt im Liegen Heu zu fressen. Bei beiden sind aber Hufbeinsenkungen in beiden Vorderbeinen zu befürchten, inwiefern ihnen ein schmerzfreies Leben möglich sein wird ist noch offen. Bei dem jungen Fuchsstütchen sind die hinteren Trachten unter dem Huf durchgewachsen, genau wie auch bei Kaspar und Balthasar. Ob es hier bereits Veränderungen im Hufbein gibt ist noch unklar.
Aber auch die anderen waren nur sehr mäßig in Bewegung, die Schmerzen waren sicher schlimmer, als vorerst angenommen. Bei den nächsten Hufschmiedterminen werden sicher noch einige Hufgeschwüre und andere unschöne Überraschungen zum Vorschein kommen.

ErnestoClaudeLuigi
Ernesto, Claude und Luigi


Seit wenigen Tagen kommt nun langsam aber sicher Bewegung in die kleine Stutenherde und gerade die jüngeren Stütchen laufen zusehends auch aus reiner Freude an der Bewegung und Lebenslust.
Die drei Junghengste Ernesto, Luigi und Claude, die allesamt noch an ihren Müttern getrunken haben (Luigi und Claude beide an der armen Maike) mussten umgehend abgesetzt werden und bilden inzwischen eine fröhliche kleine Hengstherde.

Langsam aber sicher werden alle auch fülliger, auf den Bildern sieht man schon deutliche Unterschiede.
Am schönsten aber ist, dass ihre Neugierde erwacht ist und sie ganz von sich aus Kontakt mit uns Menschen aufnehmen, Streicheleinheiten abholen und Leckerchen naschen kommen, jedes einzelne von ihnen sanftmütig und freundlich.

Viele liebe Menschen haben Hilfe angeboten, z.B. die Halfter- und Leinenführigkeit zu trainieren und ähnliches, für all das ist es aber noch viel zu früh, im Moment heißt die Aufgabe nur im Leben ankommen, satt und glücklich werden und nach und nach ein bisschen mehr Vertrauen fassen.

Wir danken allen Anrufern und email-Schreibern für ihre lieben Worte, für ihre Geld- und Sachspenden, für ihre Hilfsangebote, für die tollen Platzangebote, wir werden später sicherlich auf einige zurückkommen! Ohne sie alle wäre unsere Arbeit nicht möglich, an keinem Tag!

Süstedter-Pferde - Abschlussbericht - Oktober 2013
Nun sind ziemlich genau drei Monate vergangen, seit das Diepholzer Veterinäramt 12 der 20 Süstedter Pferde bei uns untergebracht hat und langsam, sehr langsam kehrt bei uns wieder so etwas ähnliches wie Alltag ein. Ein so weitreichendes und vor allem lang anhaltendes öffentliches Interesse am Schicksal einzelner Tiere waren wir nicht gewohnt und waren auch kaum in der Lage es zu bewältigen – an erster Stelle soll ja schließlich die Versorgung der Tiere stehen.
Die Medienanfragen kamen nicht nur aus Deutschland sondern aus ganz Europa: Televisio Lettland, Nachrichtenagenturen aus Österreich und der Schweiz, Reitsportmagazine aus dem gesamten deutschsprachigen Raum und natürlich ebenso viele private Anfragen - wir konnten es kaum glauben. Und obwohl es uns völlig überrollt hat und wir oft deutlich an unsere eigenen Belastungsgrenzen gekommen sind, war es doch auch gerade das Gefühl, dass so viele Menschen Anteil nehmen und um jedes einzelne Pferd mitzittern, mit leiden und mit hoffen, das uns Kraft und Mut zum Weitermachen gegeben hat.

Aber nun zu den Pferden selbst:
Um 5 der 12 Pferde hatten wir (und unsere Tierärztin und unser Hufschmied) uns von Anfang an ernste Sorgen gemacht, es war zu befürchten, dass die Hufbeine sich durch die langjährige Fehlstellung irreparabel verändert hatten und die Pferde somit nie schmerzfrei würden laufen können.
Zwei davon sind die Hengste Kaspar und Balthasar, die in die Pferde-Reha-Station in Raddestorf gekommen sind. Für die beiden liegen inzwischen Röntgenbilder vor – sie haben es geschafft und gehen jeden Tag einen Schritt weiter in ein schmerzfreies Leben.
Zwei weitere Sorgenkinder waren die beiden alten Stuten Maike und Snoa, sie mussten wir gehen lassen, der Gutachter schreibt über ihre Hufe:
„Eine chronische Hufrehe ( Laminitis) mit dramatischer Veränderung der Hornkapsel und ausgeprägter Knollhufbildung machten ein natürliches Pferdeleben unmöglich.
Zudem war der Hufbeinträger durch die starken mechanischen Veränderungen zerstört und alle Hufe litten unter einem "umgekippten Hufmechanismus".
Die Hufe sind dauerhaft zerstört, der schmerzhafte, chronische Zustand ist irreversibel.“
Und bei aller Vernunft und dem Wissen, dass ein leichter Tod das einzige ist, was diesen beiden noch helfen kann, ist es doch unendlich schmerzhaft zu wissen, dass sie höchstens die Hälfte eines Pferdelebens erleben durften und die Rettung zu spät kam.

Die übrigen 8 Pferde entwickeln inzwischen endlich die von uns ungeduldig herbeigesehnte Lebensfreude und es ist die helle Freude zu beobachten, wie sie aufblühen und mehr und mehr Temperament zeigen. Die Junghengste haben begonnen Hengstspiele zu üben, die Stuten spielen nachlaufen mit Austricksen und Hakenschlagen – schön, dass sie hier sind! Aber auf Dauer sollen sie ja nicht bleiben, es sind längst wieder neue Tierschutzpferde dazu gekommen und weitere stehen auf der Warteliste…
Wir haben viele wunderbare Platzangebote bekommen, die Junghengste (inzwischen Wallache) haben wir am vergangenen Wochenende in ihre neuen Weidegründe gebracht. Die Stuten sollen auch noch diesen Monat umgesiedelt werden.
Noch immer in der Vermittlung sind aber die vier Stuten, die beim Ex-Halter auf der Weide standen und mittlerweile in einer Pflegestelle untergekommen sind und noch zwei der sichergestellten Hengste, aus denen mittlerweile auch Wallache geworden sind. Anfragen für diese Pferde leiten wir gerne weiter.

Ernesto1
Ernesto geht es jetzt richtig gut!


Und noch ein Bericht aus den neuen Weidegründen - Oktober 2013

Ernestos neue Besitzer schreiben:

"Der Kleine hat sich super eingelebt. Er lässt sich sehr gerne putzen und streicheln sowieso. Er genießt richtig die ganze Aufmerksamkeit. Heute haben wir mit dem Halfter angefangen. Hat super geklappt.:)"

Zurück