Pferderettung in Rodewald
Es ist ein milder, sonniger Wintertag, nur drei Grad unter Null. Einer von den Tagen, an denen man an nichts Böses denkt. Doch der Anblick, der sie erwartet, verschlägt ihnen die Sprache. Zwei Pferde, ein schwarzer Vollblüter und ein weißes Großpony sowie ein schwarzer Ziegenbock stehen da mitten im Ort auf einer Weide, eingezäunt mit morschem Holz und durchhängendem, an vielen Stellen abgerissenem Stacheldraht.
Beide Pferde abgemagert bis aufs Skelett, nicht einmal das dicke Winterfell kann diesen Missstand verbergen. Die karge Weide ist bis auf die Grasnarbe abgenagt. Heu und Stroh? Fehlanzeige. Auch im Stall finden die Tierschützer nur reinen Mist, die letzten Strohhälmchen haben die hungrigen Tiere längst akribisch heraus gezupft. Heu wird hier sowieso nicht gefüttert, berichten die Anwohner, die Halterin könne es auf dem Fahrrad nicht transportieren. Sie wohnt 8 km entfernt.
Entsprechend gibt es auch Wasser nur bei Regen. Oder wenn die Nachbarn sich erbarmen... Der Wasserbottich ist zwar nicht leer, aber durchgefroren. Und bei 3°C unter Null frieren 10 cm Wasser nicht so schnell zu einem Block. Die Tiere lecken daran. Alle. Immer wieder. Erfolglos.
Selbst das dicke Winterfell kann nicht über den schlechten Ernährungszustand hinwegtäuschen.
Gefüttert wird hier reines Kraftfutter. Unregelmäßig. Die Pferde haben Hunger. Hier muss es schnell gehen. Die TM Mitarbeiter fragen sich, wie lange ein Pferd so etwas mitmachen kann, wann das Verdauungssystem kippt.
Die traurige Krönung dieses Szenarios sind die Hufe des Ponys. Wie mittelalterliche Schnabelschuhe sind sie weit nach vorne ausgewachsen, das Tier tritt mit den Ballen auf und humpelt tapfer über die Weide in der Hoffnung auf Futter. Linda Christof von TM sagt: „Ich mache jetzt im fünfzehnten Jahr hauptberuflich aktiven Tierschutz und ich habe wirklich viel gesehen. Aber einen solchen Anblick kenne selbst ich nur von Bildern.“
Die Rodewalder Bürger beteuern, die Halterin würde ihre Pferde niemals freiwillig hergeben, also wird gleich der amtliche Weg eingeschlagen. Das zuständige Veterinäramt in Nienburg/Weser verspricht zügige Kontrolle, die Kollegen vom Tierschutzverein Hodenhagen bieten Hilfe an: die Leiter wohnen nahbei und können Wasser organisieren und mehrmals täglich Kontrollen fahren. Auf Fütterung soll vorerst verzichtet werden, um dem Veterinäramt kein verfälschtes Bild zu liefern. Dann schlägt wieder ein Nachbar Alarm: die Pferde brechen aus auf der Suche nach Nahrung. Die Situation spitzt sich zu. Die Verletzungsgefahr am Zaun ist immens, die Weide liegt direkt an der Durchgangsstraße und die meisten wintergrünen Büsche, die die Pferde jetzt plündern könnten, sind giftig. Also erneute Meldung ans Veterinäramt. Wochenende. Notdienstzeit. Aber der Amtsleiter ist sofort am Telefon und fast genauso schnell vor Ort. Keine 2 Stunden später übereignet die Halterin die Tiere an das Tierheim in Hodenhagen. Happy End in allerletzter Minute.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir ein ganz herzliches Dankeschön sagen an die engagierten Kollegen in Hodenhagen, die eines der wenigen freies Wochenenden mal wieder in den Dienst am Tier gestellt haben und an das Veterinäramt Nienburg für schnelles, beherztes Eingreifen.