Happy End für Linus

Die Abgabe von Linus, einem Collie, ist nur der Beobachtung engagierter Bürger über einen längeren Zeitraum zu verdanken. Die Meldung erreichte uns Mitte November 2004. In einer Wohnanlage für sozialschwache Mitmenschen würden unter unzumutbaren Bedingungen drei Hunde gehalten, hieß es.
Was wir dort vorfanden war ein kleiner, matschiger Vorgarten oder Zwinger, schwer zu definieren. Darin eine aus Sperrmüll zusammengenagelte Hütte ohne Windschutz, ohne Isolierung. Und 3 Hunde. Ein Collierüde älteren Semesters mit massiven Haut- und Fellschäden, mager. Eine Dackelmischlingshündin, auch älter in gutem Zustand, angebunden an einer 3m kurzen Kette. Und eine Mischlingshündin aus diesen beiden Tieren, anderthalb Jahre alt. Der Ernährungs-und Pflegezustand gut, das Wesen aber nervös und überängstlich. Sie bellt viel und wird dann von den Bewohnern der Anlage bedroht gibt der Halter an. Den Halter selbst finden wir in kaum besserem Zustand als die Hunde vor. Ein bißchen heruntergekommen, unsicher, geduckt, durch seine fehlenden Zähne kann er sich nur schwer verständlich machen.

Trotz der Mißstände in Haltung und Pflege scheint er bezug zu seinen Hunden zu haben, sie zu mögen. Aber er sieht nicht, was ihnen fehlt, das ihnen etwas fehlt. Die junge Hündin gibt er aus freien Stücken heraus. Den Wurf habe er gar nicht gewollt, plötzlich waren Welpen da. Die anderen hat er gut untergekriegt, sagt er. Bloß die Cora, die hat er zurückgekriegt. Die Dackelhündin verträgt sich nicht immer mit ihr (kein Wunder auf dem engen Raum mit so einem jungen temperamentvollen Tier), deshalb hat er sie angebunden. Als wir Cora ins Auto verfrachten, macht er die Dackelhündin sofort los.

Beim Collie werden unsere Verhandlungen schwieriger. Dem fehlt nix, sagt der Halter. Als er ihn gekriegt hat, vor drei Jahren, sah er viel schlimmer aus. Aufgepäppelt hat er den und jetzt kommen wir daher und wollen ihm schlaues Zeug erzählen. Wir tasten uns behutsam voran. Wollen nicht nur an die Tiere denken, sondern auch diesen armen Menschen nicht verletzen, denn offensichtlich handelt er nicht aus niederen Motiven heraus. Wir können ihn überreden, den Hund beim Tierarzt vorzustellen, dann soll er sich bei uns melden. Ein Monat verstreicht. Dann statten wir ihm einen weiteren Besuch ab. Diesmal ist er ungehalten. Das geht uns nichts an, meint er. Wir sollen gehen. Wir bieten ihm noch einmal die Wahl zwischen Hilfe und Anzeige beim Veterinäramt. Der Halter geht ins Haus und schimpft. Wir steigen unverrichteter Dinge ins Auto und schimpfen auch. Es ist kurz vor Weihnachten und da draußen sitzt ein halbnackter Collie in einer unisolierten Bretterbude und friert. Und eine kleine Hündin. Vielleicht schon wieder trächtig. Hoffentlich nicht. Nicht bei dem Wetter in dem Loch.

Der nächste Schritt ist eine Anzeige beim zuständigen Veterinäramt. Es zieht sich. Dann, Mitte Februar endlich der ersehnte Anruf vom Amtsveterinär: Der Halter ist bereit den Collie abzugeben, wenn wir mit dem Hund noch was anfangen können. Der Veterinär ist wenig zuversichtlich. Wir fahren sofort hin.
Linus´ Haut ist voller Ekzeme. Das Fell muss ihm teilweise geschoren werden.
Der Mann unterschreibt den Abgabevertrag in Anwesenheit des Veterinärs, bei der Gelegenheit laufen uns noch drei Katzen über den Weg. Alles Kater, sagt der Halter, da brauchen wir uns keine Sorgen um Nachwuchs machen. Ein Tier ist allerdings dreifarbig, so fliegt die Lüge sofort auf. Dreifarbig sind nur weibliche Exemplare. Wir kontrollieren die andern Tiere: zwei Katzen, ein Kater insgesamt. Terra Mater erklärt sich sofort bereit, die Kastrationskosten zu übernehmen und unter dem gestrengen Blick des Amtsarztes willigt der Halter zähneknirschend und schimpfend ein. Er fühlt sich entmündigt. Stimmt. Wir vereinbaren sofort mit einem Tierarzt vor Ort die Abholung der Katzen und atmen auf. Für heute war es das.

Zurück zu Linus. Ob wir glauben, er könne sich noch mal berappeln will der Veterinär wissen. Der Hund sieht wirklich fertig aus. Aber eine Chance soll er haben. Und die hat er genutzt!
Viele Menschen fragen uns immer wieder wie wir mit all dem tierischen Elend klarkommen, das wir alltäglich zu sehen bekommen. Und an einem Schicksal wie dem von Linus läßt sich verdeutlichen, warum wir das tun. Immer wieder und trotz allem Leid und aller dunklen Stunden auch immer wieder gerne und mit vollem Einsatz.
Linus war bis zum Stehkragen voller Würmer, seine ersten Kothaufen könnten sich ohne fremde Hilfe fortbewegen und bestanden zu über 50% aus Spulwürmern, seine hintere Hälfte ist nackt, die vordere verfilzt und dicht von Flöhen besiedelt. Das fehlende Haarkleid gibt den Blick auf einen dürren, herunter gewirtschafteten Körper mit schuppiger Haut frei. Die Diagnose: Das Schilddrüsenhormon Thyroxin produziert sein Körper nicht mehr selbst. Es kann in Tablettenform eingegeben werden.
Aber was tun, mit der verfilzten Jacke. Scheren scheidet aus, mitten im Winter. Also kämmen. Behutsam. Jeden Tag fünf Minuten morgens und fünf Minuten abends, damit die Haut nicht zu sehr gereizt wird. Linus läßt es mit Engelsgeduld über sich ergehen, obwohl es böse ziept. Nach einem Monat ist es vollbracht. Nun wird es Zeit, ein richtiges Zuhause für ihn zu finden. Eine Rentnerin nimmt das liebenswerte Tier zu sich, wir telefonieren zwischendurch ab und an, die beiden sind glücklich miteinander.


Aber als ihre Tochter plötzlich vor der Tür steht, um uns zu zeigen, wie er sich heraus gemacht hat, da hat ihn doch glatt keiner erkannt.

Sehen sie selbst!

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