Endlich frei - Tiere aus amtlichen Sicherstellungen
Allein in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 wurden auf dem Geißblatthof 36 Katzen, 13 Kaninchen und 5 Pferde aus Sicherstellungen unterschiedlicher Veterinärbehörden untergebracht. Die Verfahren dauern unterschiedlich lange, oft dauert es Wochen oder Monate, bis die Tiere zur Vermittlung freigegeben werden. Wenn die ersehnte Freigabe endlich kommt, ist die Freude auf dem Geißblatthof immer groß, denn dann erst ist der Weg in ein richtiges Zuhause frei.
5 Pferde: bei den drei Stuten und dem Wallach Wickie sind Hufbeinveränderungen durch die fehlgestellten, überlangen Hufe nicht auszuschließen, hufgesund ist mit Sicherheit der Wallach Ringo.
Die beiden großen Stuten Tosca und Rena sowie der Wallach Wickie sind wenig menschlichen Umgang gewohnt, mittlerweile lassen sie sich aber immerhin Halftern und führen. Die Friesen Mix Stute Rena ist ca. 8-9 Jahre alt, die Welsh Araber Stute Tosca knapp 5 Jahre und der Welsh A Wallach Wickie ca. 6 Jahre.
Ringo ist ca. 20 Jahre alt, er ist umgänglich und offensichtlich menschlichen Umgang gewohnt. Da er frisch kastriert ist kann er noch nicht mit Stuten vergesellschaftet werden, mit einem anderen Hengst hat er sich aber gut vertragen.
Tora ist ca. 28 Jahre alt. Sie ist auf einem Auge blind und hat ein freundliches, umgängliches Wesen. Auch mit den anderen Pferden und Ponys und auch Schafen und Ziegen verträgt sie sich gut.
In der Regel sieht es bei Sicherstellungen so aus: die Tiere sind voll mit inneren und äußeren Parasiten, auch offensichtliche Krankheitsbilder wie eitrige Augen und Ohrenentzündungen, Lahmheiten, Wunden, Tumore, großflächig fehlendes Fell, zu lange Schnäbel, ausgewachsene Hufe bei Pferden, Abmagerung oder Verfettung werden vom Halter nicht erkannt und auch auf Anfrage nachdrücklich geleugnet. Bei Innenhaltungen kommt oftmals ein beißender Ammoniakgeruch hinzu. Die Halter klammern sich an ihre Tiere, bekommen Wutanfälle oder brechen in Tränen aus, vielfach muss ein Arzt hinzugerufen werden, oftmals muss die Polizei ordnend eingreifen, teilweise werden die Einsatzkräfte nicht nur wüst beschimpft sondern auch tätlich angegriffen. Die Argumente, die seitens der Halter ins Feld geführt werden reichen von: ich kann ohne meine Tiere nicht leben, ich liebe meine Tiere, meine Tiere brauchen mich, ich habe jedes einzelne dieser Tiere gerettet, bis hin zu: ich lebe davon, ich muss mein Auto davon bezahlen, ich kann nichts anderes arbeiten, von irgendwas muss ich ja leben.
Die Notwendigkeit, Tiere zu verkaufen, weil man vom Tierhandel lebt, einerseits, und das krankhafte Sammeln von Tieren andererseits lassen beim Animal Hoarder oft eine Zweiklassengesellschaft entstehen. Es gibt Tiere, die den Status eines Sozialpartners haben, die auf dem Sofa sitzen und im Bett schlafen dürfen und andere Tiere, die im wahrsten Sinne des Wortes die „Drecksarbeit“ tun, sie leben oftmals in ihren eigenen Exkrementen und vermehren sich, damit der Halter mit der Nachzucht Geld machen kann.
Gerne wird mit dem Finger auf südliche Länder gezeigt und natürlich auch auf die im Osten, wenn es um Tierschutz geht. In unserem Luxusland scheint ja alles in Ordnung zu sein. Wer jedoch mit mutigen, engagierten Amtstierärzten zusammenarbeitet, der wird auch hierzulande auf teilweise unvorstellbare Missstände stoßen. Verwahrlosung aus Profitgier (vergleichbar der Massentierhaltung, in der die Würde des Mitgeschöpfes ja schon lange keinen Platz mehr hat) oder aus Unkenntnis, gibt es im Bereich der privaten oder kleingewerblichen Tierhaltung schon lange; vermutlich auch fast überall auf der Welt. Doch gerade in Ländern wie Deutschland, in denen alles was käuflich ist im Überfluss erworben werden kann, treibt die Negativ-Tierhaltung neue Blüten. Immer häufiger wird das konsumtive Sammeln von Tieren als Ausdruck von Freundschaft und sozialer Kompetenz verstanden. Animalhoarding oder Tiersammelsucht bezeichnet jedoch eine Haltungsform, die mit sozialen Problemen und psychischen Störungen der Halter einhergehen bzw. durch diese ausgelöst werden.
Im Tagungsband des Hoarding of Animals Research Consortium von 2006 ist das krankhafte Sammeln von Tieren folgendermaßen definiert:
Tierhortung ist das Ansammeln von Tieren mit vier Grundeigenschaften:
- Unterschreiten der Mindestanforderungen an Hygiene, Platz, Ernährung und tierärztlicher Versorgung für die Tiere
- Unfähigkeit zum Erkennen der Auswirkungen dieser Mängel auf Tiergesundheit, Haushaltsmitglieder und Umwelt
- den obsessiven Versuch, die Tieransammlung aufrechtzuerhalten oder gar auszubauen, trotz sich zunehmend verschlechternder Bedingungen
- Leugnung oder Bagatellisierung der Probleme für die Tiere und gegebenenfalls auch für die Menschen im Haushalt.
In Ermangelung von Einsicht seitens der Halter ist die Rückfallquote trotz gerichtlicher Verurteilungen und Haltungsverboten immens hoch. Ursache dafür ist sicherlich die starke emotionale Bindung des Hoarders an seine Tiere, bei gleichzeitiger sozialer Isolation. Die Sicherstellungen und Verurteilungen schaffen zwar eine schnelle Verbesserung für die meisten beschlagnahmten Tiere, es überleben aber oftmals nicht alle, weil die Vorschädigungen schon irreparabel sind. In vielen Fällen müssen die Einsatzkräfte vor Ort auch schon lebendige und tote Tiere voneinander trennen. Um einen Einzelfall langfristig erfolgreich abschließen zu können, ist eine sozial-psychiatrische Betreuung in der Regel die einzige Chance den Sammel-Halter für sein Tun zu sensibilisieren und ihm Lösungsmöglichkeiten für sein eigenes Leben aufzuzeigen. Dafür ist aber die Bereitschaft des Sammlers Grundvoraussetzung und laut Statistik sind hierzu nur 18% der Betroffenen bereit. (Quelle: Tina Susanne Sperlin: Animal Hoarding. Das krankhafte Sammeln von Tieren. Aktuelle Situation in Deutschland und Bedeutung für die Veterinärmedizin. Dissertation. Tierärztliche Hochschule, Hannover 2011)
Die zunehmende Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft fördert die beschriebene Situation. Nur mit wachen Augen, empathischer Unterstützung und mutigem Einsatz der Vet. Ämter kann dieser Herausforderung begegnet werden. Tierschutz ist immer auch Menschenschutz.
Auf dem Geißblatthof betreuen wir tagtäglich durchschnittlich 35 Hunde, 40 Katzen, 60 Schafe und Ziegen, 15 Pferde, 2 Schweine, 2 Lamas und ab und an Meerschweinchen, Kaninchen und Heimvögel. Wir bieten ihnen artgerechte Haltung und Fütterung, medizinische Versorgung und wenn nötig Training des Sozialverhaltens oder einfach sorgenfreies Herumtollen in ihrem „Übergangszuhause“. Rund ein Drittel der Tiere stammt aus Fortnahmen der Veterinärbehörde, die übrigen zwei Drittel wurden aus den unterschiedlichsten Gründen vom Vorbesitzer abgegeben oder sind als Fundtiere zu uns gekommen und nicht wieder abgeholt worden. Die große Anzahl betreuungsintensiver Tiere, wie es die sichergestellten Tiere aus defizitären Haltungen in der Regel sind, hat uns im vergangenen Jahr mehrfach an unsere Leistungs- und Belastungsgrenzen gebracht. Selbst wenn der Gesundheitszustand so gut es geht wieder hergestellt ist (nicht alle Schäden sind reparabel), bleibt noch die mühselige Sozialisierungsarbeit. Egal mit welcher Tierart man es zu tun hat, es fehlt in der Regel ein Grundvertrauen in den Menschen, selbst Berühren ist oft nicht auf Anhieb möglich, geschweige denn Gassigehen beim Hund, Aufhalftern, Hufe auskratzen u.ä. beim Pferd oder Streicheln bei Katze oder Kaninchen. All diese Grundlagen sind aber für eine erfolgreiche Vermittlung nötig und erfordern viel Zeit und Einfühlungsvermögen. Dennoch vermitteln wir durchschnittlich 100 Hunde, 50 Katzen, 20 Pferde, 30 Schafe/Ziegen und 15 Kleinsäuger pro Jahr.
20 überwiegend verwilderte Hauskatzen im Alter von 6 Monate bis zu 4 Jahren. Bei den ersten aus dieser Gruppe siegt die Neugierde langsam über die Angst, ca. ein Drittel dieser Tiere wird sicher richtig zutraulich und verschmust werden, ein weiteres Drittel wird etwas misstrauischer bleiben, aber mit vertrauten Personen kuschelig und anhänglich werden und ein Drittel möchte sicherlich nur einen Platz in einem Stall finden um sich als Mäusefänger Ruhm und Ehre zu verdienen. Alle 20 sitzen inzwischen quasi auf „gepackten Koffern“, sind geimpft, kastriert, gechipt, entwurmt, entfloht und negativ auf Katzenaids und Katzenleukose getestet. Scheue Katzen geben wir gebührenfrei ab und freuen uns, wenn sie ein trockenes Bett im Stroh auf einem Bauernhof beziehen dürfen.
16 Maine Coons im Alter von ca. 2-4 Jahren, ebenfalls geimpft, kastriert, gechipt, entwurmt, entfloht und negativ auf Katzenaids und Katzenleukose getestet. Diese Katzen sind noch nicht ganz fertig saniert, empfangen aber durchaus schon Besuch und können zur Vermittlung vorgemerkt werden. Auch hier sind einige wenige schon recht aufgeschlossen, andere sitzen noch auf der Reservebank und gucken sich das Spiel aus der Ferne an...
Sowohl die Coonies als auch die Hauskatzen stammen aus Beständen von über 50 Katzen, sie lieben die Gesellschaft von Artgenossen und rotten sich sofort zusammen wenn sie sich vor etwas gruseln. Menschen zum Beispiel, die sich ja auch immer wieder unbeliebt machen, wenn z.B. tagtäglich die Ohren behandelt werden müssen... Dann verziehen sie sich in die dunkelsten Ecken, liegen auf und unter einander und versuchen nach Kräften unsichtbar zu werden. Fotos wie das der Katzen im Schrank verraten IMMER den Animal Hoarding Hintergrund, normale Katzen würden ein derartiges Gedränge meiden, nur Katzen mit solcher Vorgeschichte sind drangvolle Enge gewöhnt und suchen Sicherheit bei einander.